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Titel
Karl von Österreich: Kaiser – Kriegsherr – Kirchenmann.. Politischer Heiliger in der Neuzeit?


Autor(en)
Roth, Markus
Reihe
Studien zur Kirchengeschichte 15
Erschienen
Hamburg 2013: Verlag Dr. Kovač
Anzahl Seiten
169 S.
Preis
URL
Rezensiert für infoclio.ch und H-Soz-Kult von:
Maximilian Liebmann

Beim Verlag Dr. Kovac GMBH tituliert sich der Bd. 15 der Schriftenreihe Studien zur Kirchengeschichte: Karl von Österreich: Kaiser – Kriegsherr – Kirchenmann. Politischer Heiliger in der Neuzeit? Er wurde vom Theologen Markus Roth verfasst und 2013 publiziert.

Die 169 Seiten umfassende Studie gliedert sich nach der Einleitung in vier Abschnitte: Das Selig- und Heiligsprechungsverfahren; Politische Heilige gestern und
heute; Karl I. aus dem Hause Habsburg; und endet mit der Schlußbemerkung samt Quellen- und Literaturverzeichnis.

Höchst informativ ist die Darlegung der historischen Entwicklung im Selig- und Heiligsprechungsverfahren. Im ersten Jahrtausend erfolgte die exquisite Verehrung von herausragenden Persönlichkeiten durch das gläubige Volk vereint mit Bischöfen, wobei sich drei Kategorien herausbildeten: Märtyrer, Bekenner und Asketen. Die Gottesmutter Maria, biblische Gestalten, insbesondere die Apostel wurden von Anfang an als Heilige verehrt.

Papst und Papsttum traten bei Heiligsprechungen erst mit der Kanonisation Ulrichs von Augsburg im Jahre 993 durch Papst Johannes XV. (985–996) auf den Plan.

Von da an wurden spezielle Regeln und Vorgangsweisen, insbesondere die kurialpäpstliche Zentralisierung, zu Selig- und Heiligsprechungen vorgeschaltet. Beim Wunder wurden Zeugenbefragungen und Fragenkataloge, sogenannte Interrogatoriae. Prüfung der Unterlagen durch eine in Rom ansässige Kardinalskommission werden notwendig. Die Bestimmungen des Codex Iuris Canonici von 1917 verfeinerten und spezifizierten das Verfahren. Die Zuständigkeiten und Aufgaben des Promotors fidei, des Postulators, der «congregatio antepraeparatoria», die erst fünfzig Jahre nach dem Tode eines präsumptiven Kandidaten ihre Untersuchungen über den heroischen Tugendgrad oder das Martyrium beginnen darf, werden kirchenrechtlich verordnet. Die triadischen Tugenden Glaube, Hoffnung und Liebe, sowie die Kardinalstugenden Klugheit, Gerechtigkeit, Mäßigung und Tapferkeit werden einer Würdigung unterzogen. Die Ergebnisse werden in der «congregatio praeparatoria» von den Kardinälen der Ritenkongregation zur Weiterverfolgung des Verfahrens oder zum Abbruch geprüft. Den Abschluß des Procederes bildet unter dem Vorsitz des Papstes die «congregatio generalis». Alles Weitere unterliegt der Entscheidungsvollmacht des Papstes. Mit dem II. Vatikanum und dem neuen Codex Iuris Canonici 1983 ergaben sich weitere Reformen. Wunderprozesse hatten schon im August 1948 zur Gründung des «Collegium medico» geführt. Die Eröffnung eines Seligsprechungsverfahrens wurde infolge konziliarer Aufwertung der Bischofsgewalt von der Kurie und dem Papst nun den Ortsbischöfen anheim gestellt.

Die Anzahl der notwendigen Wunder wurde reduziert und modifiziert. Für die Seligsprechung genügt ein ordnungsgemäß approbiertes Wunder und für die Heiligsprechung ist ein Wunder notwendig, das sich nach der Seligsprechung eingestellt hat. Im Geist und in der päpstlichen Vollmacht des I. Vatikanums kann der Papst selbstredend von Wundern und dem Zeitabstand dispensieren.

Bei der Frage: «Braucht es die Praxis der Heilig- und Seligsprechung?» (36ff.) weist der Autor auf diverse Kritiken wie die große Zahl an Beatifikationen und Kanonisationen, die Einseitigkeit der Auswahl, den praktizierten Lobbyismus, die mangelnde Transparenz und die immensen Kosten hin. Mit der Antwort des Papstes Johannes Paul II. auf die inflationären Heilig- und Seligsprechungen «Der Heilige Geist selbst sei an der großen Zahl von Glaubensvorbildern schuld» (36), weicht der Autor der Frage aus, ob und wieweit die Heiligen und Seligen unsere Fürsprecher und Mittler bei Gott sind.

Bei den Untersuchungsmodalitäten zur Seligsprechung von Kaiser Karl hat Roth einen extensiven biographischen Aufriss vorangestellt, neben der Sixtus-Affäre werden selbst die deutschen Kriegsgeneräle Ludendorff und Hindenburg zur Sprache gebracht. Im spirituellen Lebensbild des Kaisers (99ff.) wird die Gottesliebe, die Eucharistie- und Marienfrömmigkeit sowie die Nächstenliebe des Hauses Habsburg gewürdigt. Karls Lebensmaxime, die er kurz vor seinem Sterben offen aussprach, wird zitiert: «Mein ganzes Streben geht dahin, so klar wie möglich in allem den Willlen Gottes zu erkennen und zu erfüllen, und zwar so vollkommen wie nur möglich.»

Beim Seligsprechungsprozess selber versuchte man, so gewissenhaft wie möglich die Prozessordnung einschließlich Wundernachweis zu realisieren. Über die offizielle Seligsprechung am 3. Oktober 2004 zitiert Autor Roth einen Zeitungsartikel: «Johannes Paul II. hat am Sonntag den letzten österreichischen Kaiser, Karl I., selig gesprochen. Knapp 20.000 Gläubige verfolgten bei sommerlichen Temperaturen die Zeremonie am Petersplatz, an der mehrere Tausend Pilger aus Österreich teilnahmen. Zur Seligsprechung waren Delegationen aus allen Kronländern der Donaumonarchie und aus Madeira gekommen, wo Karl 1922 im Exil starb.»

Historisch nüchtern resümiert der Autor seine empfehlenswerte, vorzügliche Studie: «So kann abschließend aus den Betrachtungen der Schluß gezogen werden, dass Karl, trotz seiner monarchischen Stellung versuchte, ein heiligmäßiges Leben zu führen...» Letztlich ist er aber dennoch zu einem echten «(persönlichen) Heiligen im politischen Amt» geworden. Auf Beckmesserei will der Rezensent nicht ganz verzichten, auf S. 26 müßte es in der Zwischenüberschrift wohl «Wunder» statt «Wunde» heißen.

Zitierweise:
Maximilian Liebmann: Rezension zu: Markus Roth, Karl von Österreich: Kaiser – Kriegsherr – Kirchenmann. Politischer Heiliger in der Neuzeit?, Hamburg, Dr. Kovac, 2013. Zuerst erschienen in: Schweizerische Zeitschrift für Religions- und Kulturgeschichte, Vol. 107, 2013, S. 448-449.

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